Blood on the Clocktower – als Spielleiter

Auf der Gedankenwelten Con in Homburg war es wieder soweit: eine Runde Blood on the Clocktower. Nachdem ich in den letzten beiden Blogposts über das Spiel erzählt habe, heute mal ein Blick hinter die Kulissen: was macht der Märchenerzähler überhaupt da in seinem „Zauberbuch“? Die Aufgabe als Erzähler ist es dafür zu sorgen, dass die Spieler eine gute Zeit haben, was insbesondere heißt, dass es bis in den letzten Tag mit nur noch drei lebenden Spielern geht. Dazu hilft man dem schwächeren Team, was in der Regel das Böse Team ist. Erinnern wir uns: das Gute Team muss nur 1x richtig treffen, der Dämon muss jeden einzelnen Tag überleben. Aber wir hilft man? Kann man das Spiel beliebig steuern? Das geht natürlich nicht, denn man darf zwar Märchen erzählen, aber muss sich streng an die Regeln halten. Und dies bedeutet, dass alles korrekt sein muss, es sei denn, die betroffene Spielerin ist betrunken oder vergiftet. Nur dann hat man die Freiheit zu entscheiden, ob man falsche Informationen gibt und wie diese aussehen.

Schauen wir uns ein Beispiel an:

Ansicht des Zauberbuches mit 8 Spielern und 3 Bluffs

In diesem Spiel war der Mönch betrunken und der Totengräber vergiftet. Böse hat es gleich in der ersten Nacht schwer erwischt, denn der Wahrsager wählte seine beiden Nachbarn und erhält ein korrektes „Ja“ und auch die Empathin wusste, dass einer ihrer beiden Nachbarn böse ist. Damit gab es gleich zwei „Pings“ auf den Dämon. Das Dorf hatte sich trotzdem entschieden, die Dämonenjägerin hinzurichten. Welche Information gibt man dem Totengräber in der Nacht?

Die korrekte Information „Dämonenjägerin“ würde zusammen mit der Empathin auf den Dämon zeigen, was ein kurzes Spielende zur Folge hätte. Also lieber einen bösen Chip zeigen, also

  • Giftmischer
  • Baron
  • Spion
  • Die Frau in Rot
  • Kobold

Den Baron hätte das Dorf leicht als falsche Information erkennen können, da der Dämon keinen Fremden als Bluff gewählt hatte – deshalb muss man als Spielleiter zuhören, was sich die Spieler erzählen. Kobold und Frau in Rot hätten das gleiche Ergebnis geliefert: die Frau in Rot ist tot und es gibt noch einen Kobold. Spion ebenso, dass es nur noch den Kobold gibt.

Ich hätte deshalb den Giftmischer gewählt: dies hätte dem Dorf signalisiert, dass ihre Informationen falsch gewesen sein könnten, womit sich die guten Spieler aus einigem rausreden können – was sie dringend brauchten! Darüber hinaus glauben die guten Spieler danach den Informationen mehr, da es vorgeblich kein Gift mehr gibt.

Letztendlich kam es in Homburg nicht dazu, denn die Dämonenjägerin entschied sich zum Schuss auf den Dämon, womit das Spiel mit einem Sieg für das Gute Team endete.

Tödliche Weihnachten in Homburg

Kurz vor Weihnachten war es soweit: Blood on the Clocktower in Merzig. Sieben Spieler haben sich gefunden, die gemeinsam den Dämon zur Strecke bringen wollten. Alle? Nein nicht alle! Zwei Spieler der Spieler kämpften im Geheimen gegen die Dorfbewohner und wollten das Dorf vernichten.

Was an dem Abend passiert ist war so episch, dass ich die Geschichte davon ihre Runde macht und ich sie auf einer anderen Veranstaltung von mir unbekannten Personen gehört habe. Hier jetzt der Bericht aus erster Hand:

Gleich in der ersten Nacht konnte das Böse Team einen Erfolg verbuchen: der Giftmischer wählte das Waschweib, was daraufhin erfuhr, dass einer der beiden Bösen Spieler in Wirklichkeit der gute Soldat sei, wobei Soldat einer der drei Dämon-Bluffs war. Am nächsten Morgen stürmte das Waschweib direkt zum Dämon und fragte nach seiner Rolle, was er mit „Ich, äh, Soldat?!“ beantwortete.

Damit hatte der Dämon einen Stein im Brett des guten Spielers und konnte sich entspannt zurücklegen, denn das Waschweib verteidigte den Dämon vor allen Angriffen bis aufs Messer. O-Ton: „Was? Ihr könnt jeden anklagen, aber von diesem Spieler weiß ich, dass er garantiert gut ist!!!“

Damit konnte das Böse Team das Spiel locker laufen lassen und nach und nach alle guten Spieler ausschalten. Am vorletzten Tag mit vier lebenden Spielern hab ich alle informiert, dass sie niemanden hinrichten sollten. Denn treffen sie den falschen Spieler, dann geht das Dorf mit drei lebenden Spielern in die Nacht und der Dämon tötet einen Spieler (der Mönch war bereits tot). Folglich sind nur noch zwei Spieler am Leben und Böse gewinnt das Spiel.

Und dann kam es: Zwei Sekunden vor Ablauf des Tage, nominierte das – mittlerweile sehr verdächtige – Waschweib den anderen verbleibenden guten Spieler – den Dämonenjäger. Die Stimmen der beiden bösen Spieler reichen aus, um die Nominierung zu einer Hinrichtung zu machen und zusammen mit dem Waschweib wäre das nicht zu schlagen und damit ein glatter Sieg für das Böse Team. Sichtlich erfreut nahmen die beiden Bösen Spieler diese Nachricht auf und waren bereit für die Abstimmung.

Aber Blood on the Clocktower ist bekannt für seine überraschenden Wendungen in bester Hollywood-Tradition!

Der Dämonenjäger war ein recht stiller Spieler, der bisher kaum etwas in der großen Runde gesagt hatte. Er fragte mich direkt, ob er jetzt seine Fähigkeit nutzen kann und wie er das machen solle. Normalerweise sollte ich daraufhin nichts antworten, da ich damit seine Rolle bestätige. Aber im Sinne des Spiels habe ich ihm gesagt, dass er aufstehen und einen Spieler wählen muss. Er stand auf, schaute sich um und zeigte auf den Dämon. Der Blick im Gesicht des Dämons – blanke Panik – war unbezahlbar! Der sicher geglaubte Sieg des Bösen Teams hat sich damit binnen weniger Sekunden in einen Sieg für das Gute Team gewandelt!

Damit wurde Blood on the Clocktower seinem Ruf gerecht, dass es spannend bis zum Schluss bleibt und die Spiele noch Jahre später an Lagerfeuern erzählt werden.

In Merzig geht ein böser Mond auf

In Merzig haben wir zum ersten man den Bösen Mondaufgang gespielt (Bad Moon Rising), der mit 23 komplett neuen Rollen daher kommt, u.a. 4 unterschiedlichen Dämonen. Informationen gibt es hier nur indirekt und das auch nur darüber, ob Spieler sterben oder auch nicht. Denn das böse Team hat Probleme, überhaupt Spieler zu töten – teilweise klappt das gar nicht oder sie stehen sogar wieder von den Toten auf! Es passiert normalerweise, dass es heißt: „du wirst hingerichtet … und nichts passiert“.

Aber wo kämen wir hin, wenn in Merzig alles normal abläuft???

In der ersten Nacht hat die Seefahrerin erst mal den Spieler, der sie und die andere Sitznachbarin beschützt, betrunken gemacht, so dass es keinen Schutz gab. Das böse Team hat sich derweil auf den armen Glückspieler eingeschossen. Da sie sich nicht absprechen konnten, haben sie ihn gleichzeitig vergiftet und vor der Hinrichtung geschützt.

Am Tag darauf wurde dem Glücksspieler eine falsche Rolle gesagt, so dass die Nacht spannend wurde: Der Glücksspieler nennt eine falsche Rolle eines Mitspielers => er stirbt. Aber er war vergiftet => er stirbt nicht. Aber er war Pukka-vergiftet => er stirbt doch.

In der übernächsten Nacht ging es mit dem Tratschonkel weiter – dieser schaffte es sogar auf 4 Marker, die neben seinem Spieler-Chip lagen: er war der Enkel – wird er vom Dämon getötet, so stirbt auch die Großmutter. Gleichzeitig war sein Tratsch korrekt – er hat die beiden bösen Spieler identifiziert! – so dass ein Spieler in der Nacht stirbt. Und damit begann der wilde Ritt für das Böse Team:

Da nur noch 4 Spieler am Leben waren und der Dämon ihn wählte, wären 2 Spieler gestorben => Böse gewinnt. Da der Tratschonkel aber vom bösen Team vergiftet war, funktioniert diese Fähigkeit nicht und es stirbt kein Spieler durch den korrekten Tratsch. ABER: der Tratschonkel war der Enkel, so dass die Großmutter stirbt => Böse gewinnt. Der Pukka hat die Großmutter just in dieser Nacht vergiftet BEVOR der Tratschonkel starb, so dass die Großmutter den herben Verlust gar nicht mitbekam und überlebte. Da musste ich auch 3x drauf gucken, ob das so alles korrekt war.

Damit ging es mit 3 lebenden Spielern in den letzten Tag – dachte ich zumindest. Das Böse Team schaffte es, dass es zu keiner Hinrichtung kam und damit hat normalerweise Böse gewonnen.

ABER, Merzig wäre nicht Merzig, wenn es nicht doch eine andere Lösung findet:

Die Seefahrerin wählte den Pukka und normalerweise ist damit die Seefahrerin betrunken und das Spiel wäre vorbei mit einem Sieg für Gut, da er Pukka die Großmutter tötet – aus und vorbei. Als Spielleiter soll ich das Ende des Spiels aber nicht entscheiden. Es ist regelkonform, dass die Seefahrerin nicht betrunken ist, sondern der Pukka, weshalb ich darauf entscheiden musste. Der Pukka wiederum vergiftete die Seefahrerin. Und damit kommt es: da der Pukka vergiftet ist, tötet sein Gift nicht die Großmutter – das geschieht erst, sobald er wieder nüchtern ist – und er konnte betrunken den Seefahrer auch nicht vergiften – und damit seine  eigene Betrunkenheit aufheben. Damit blieb alles beim alten und es ging in einen weiteren Tag. Dieser war geprägt von „alles ist möglich“ für beide Teams, also das erwünschte „Foto-Finish“.

Letzendlich wurde der Dämon hingerichtet und Gut hat gewonnen.

Das hört sich alles ziemlich chaotisch und beliebig an, aber Gut hatte das Rätsel trotzdem früh gelöst und nur das geschickte Vergiften des Bösen Teams konnte diese Information verhindern. Damit war das Gute Team planlos, aber als Nebeneffekt „leider“ noch am Leben.

Deshalb geht mein Glückwunsch an beide Teams: ihr habt euch beide wacker geschlagen und jeder hätte den Sieg wohlverdient!